Ermittlung des Anteils der Latentwärmeeffekte an der feuchtebedingten Wärmeleitfähigkeit

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Lena Fischer
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Ermittlung des Anteils der Latentwärmeeffekte an der feuchtebedingten Wärmeleitfähigkeit

Post by Lena Fischer » Tue Jul 26, 2016 1:21 am -1100

Liebes WUFI-Team,

verschiedenen Quellen (WUFI Hilfe, Fachartikel, Schulungsunterlagen) ist zu entnehmen, dass die Latentwäremeffekte bei WUFI separat berücksichtigt werden. Im Plattengerät gemessene feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeiten beinhalten diese in der Regel. Um eine doppelte Berücksichtigung der Latentwärmeeffekte (bei der feuchtebedingten Wärmeleitfähigkeit) demnach auszuschließen, müssen sie aus den genauen Messwerten herausgerechnet werden.

Um dieses Vorgehen besser nachvollziehen zu können, haben wir zunächst das Plattengerät in WUFI Pro abgebildet. Im zweiten Schritt wurde durch ausprobieren die feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeit (ohne Latentwärmeeffekte) in Abhängigkeit des Wassergehalts ermittelt. Hierbei wurde der händisch berechnete Wärmestrom aus vorliegenden Messdaten, in welchen die Latentwärmeeffekte beinhaltet sind, mit dem durch WUFI berechneten Wärmestrom verglichen. Die verwendeten Messdaten stammen aus dem Forschungsbericht „Einfluss des Feuchtegehalts auf die Wärmeleitfähigkeit von Bau- und Dämmstoffen“ von Achtziger und Cammerer aus dem Jahr 1984.

Insgesamt haben wir zwei Materialien betrachtet. Zum einen den Ziegel mit einer Rohdichte von 1910 kg/m³ und zum anderen die Mineralwolle mit einer Rohdichte von 62 kg/m³. Diese müsste nach unseren Recherchen auch mit der Mineralwolle in der unten aufgeführten Grafik aus den Schulungsunterlagen zu WUFI Pro übereinstimmen.

Für den Ziegel (Rohdichte 1910 kg/m³) zeigen sich mit unserer Herangehensweise für verschiedene Wassergehalte nur kleine Unterschiede zwischen der Wärmeleitfähigkeit mit und ohne Latentwärmeeffekte. Beispielsweise ergibt sich für einen Wassergehalt von 3,82 kg/m³ eine feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeit ohne Latentwärmeeffekte von 0,7946 W/(mK). Aus den Diagrammen des Forschungsberichtes ergibt sich ein Messwert von 0,796 W/(mK). Der Einfluss der Latentwärmeeffekte beträgt demnach 0,0014 W/(mK).

Bei der Mineralwolle (Rohdichte 62 kg/m³) gelingt es uns allerdings nicht, eine plausible, feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeit ohne Latentwärmeeffekte zu ermitteln. Selbst wenn der Wert der trockenen Wärmeleitfähigkeit für einen vorgegeben Wassergehalt eingesetzt wird, liegt der durch WUFI ermittelten Wärmestrom immer deutlich über dem händisch errechneten. Letzterer wurde durch eine Kontrollrechnung ohne Latentwärmeeffekte bestätigt.

Uns stellen sich daher nachfolgende Fragen:

- Können Sie uns ein Feedback geben, ob die o.g. Methodik zur schrittweisen Bestimmung der feuchteabhängigen Wärmeleitfähigkeit (ohne Latentwärmeeffekte) tendenziell richtig ist?

- Können Sie uns ein Feedback geben, was die Ursache dafür ist, dass bei der Mineralwolle ein deutlich größerer Wärmetransport durch Latentwärmeeffekte von WUFI berechnet wird, als die nachfolgende Abbildung darstellt (vermutlich ebenfalls mit WUFI generiert)?

Für Rückfragen stehen wir selbstverständig gerne zur Verfügung. Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Mit freundlichen Grüßen
Lena
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Thomas
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Re: Ermittlung des Anteils der Latentwärmeeffekte an der feuchtebedingten Wärmeleitfähigkeit

Post by Thomas » Wed Jul 27, 2016 6:42 am -1100

Lena Fischer wrote:Für den Ziegel (Rohdichte 1910 kg/m³) zeigen sich mit unserer Herangehensweise für verschiedene Wassergehalte nur kleine Unterschiede zwischen der Wärmeleitfähigkeit mit und ohne Latentwärmeeffekte. Beispielsweise ergibt sich für einen Wassergehalt von 3,82 kg/m³ eine feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeit ohne Latentwärmeeffekte von 0,7946 W/(mK). Aus den Diagrammen des Forschungsberichtes ergibt sich ein Messwert von 0,796 W/(mK). Der Einfluss der Latentwärmeeffekte beträgt demnach 0,0014 W/(mK).
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- Können Sie uns ein Feedback geben, ob die o.g. Methodik zur schrittweisen Bestimmung der feuchteabhängigen Wärmeleitfähigkeit (ohne Latentwärmeeffekte) tendenziell richtig ist?
Hallo Lena,

ich verstehe Ihr Vorgehen so, dass Sie die 0,796 W/(mK) aus dem Cammerer/Achtziger entnommen haben, dann in WUFI das Verhalten eines solchen Ziegels im Temperaturgefälle nachgerechnet haben (unter Verwendung von Feuchtespeicherfunktion, my-Wert usw. aus anderen Quellen, da der Cammerer/Achtziger ja keine hygrischen Materialdaten enthält). Sie haben dann die "feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeit" in WUFI so lange angepasst, bis die Simulation unter Berücksichtigung von Wärmeleitung und Latentwärmetransport denselben Wärmestrom ergab, den eine Probe mit 0,796 W/(mK) unter alleiniger Berücksichtigung der Wärmeleitung gezeigt hätte.

Das sollte grundsätzlich zum richtigen Ergebnis führen. Unwägbarkeiten sind vermutlich die hygrischen Kenndaten der Proben, die im Cammerer/Achtziger nicht aufgeführt sind (ich sehe nur eine Tabelle mit Sorptionsfeuchten für ein paar Materialien, aber keine my-Werte). Wahrscheinlich wirkt sich auch die Messdauer aus, da sich die Feuchte während der Messung umlagert und der genaue Auswertezeitpunkt eine Rolle spielen wird.

Eine grobe Abschätzung liefert mir für das Verhältnis des Latentwärmestroms qv zum Wärmeleitungsstrom qw in einer Probe zu einem Zeitpunkt, in dem sich das Mess-Temperaturprofil bereits eingestellt hat, der Wassergehalt in der Probe aber noch gleichmäßig verteilt ist:

qv/qw = 0.07*phi/(my*lambda)

phi = relative Feuchte [0..1], my: my-Wert, lambda: Wärmeleitfähigkeit.

In Ihrem Beispiel mit dem Ziegel ist qv/qw = 0.0014/0.7946 = 0.0018, und wenn die dem Wassergehalt entsprechende relative Feuchte etwa 0.9 betrug, müssen Sie einen my-Wert um die 40 verwendet haben.
Bei der Mineralwolle (Rohdichte 62 kg/m³) gelingt es uns allerdings nicht, eine plausible, feuchteabhängige Wärmeleitfähigkeit ohne Latentwärmeeffekte zu ermitteln. Selbst wenn der Wert der trockenen Wärmeleitfähigkeit für einen vorgegeben Wassergehalt eingesetzt wird, liegt der durch WUFI ermittelten Wärmestrom immer deutlich über dem händisch errechneten. Letzterer wurde durch eine Kontrollrechnung ohne Latentwärmeeffekte bestätigt.
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- Können Sie uns ein Feedback geben, was die Ursache dafür ist, dass bei der Mineralwolle ein deutlich größerer Wärmetransport durch Latentwärmeeffekte von WUFI berechnet wird, als die nachfolgende Abbildung darstellt (vermutlich ebenfalls mit WUFI generiert)?
Ich glaube nicht, dass die Abbildung mit WUFI erstellt wurde. In der ältesten mir bekannten Version hat sie als Quellenangabe den Cammerer/Achtziger und ist daher wohl nur eine (möglicherweise mehr oder weniger schematisierte) Zusammenfassung der dortigen Diagramme. Insbesondere ist der Beginn der Mineralwolle-Kurve bei 0,04 W/(mK) nicht unbedingt als eine belastbare unabhängige Aussage über die Wärmeleitfähigkeit bei w = 0 kg/m3 zu sehen.

Mir fällt spontan Folgendes ein:

* Aufgrund der Diffusionsoffenheit der Mineralwolle geschieht ein erheblicher Anteil des Wärmetransports in Form von Latentwärme. Vielleicht bleibt, wenn man die Latentwärme herausrechnet, tatsächlich nur ein ungewohnt kleiner Zahlenwert für die "echte" Wärmeleitfähigkeit übrig?

Was betrachten Sie als "trockene Wärmeleitfähigkeit"? Die oft und auch in WUFI angetroffenen nominellen "Trocken"werte von 0.04 oder 0.03x enthalten oft einen Sicherheitszuschlag. Die Messkurven im Cammerer/Achtziger beginnen zwar meist auch zwischen 0.03 und 0.04, aber sind die Anfangspunkte wirklich alle gemessen, und wenn ja, wie sorgfältig wurde getrocknet (Fokus der Untersuchungen waren ja die feuchten Wärmeleitfähigkeiten)?

* In der Mineralwolle kann Luftströmung eine Rolle spielen. WUFI behandelt die Luft bei der Berechnung der Diffusion als neutral "ruhend". Vielleicht ist die Luft im Plattenapparat je nach Wärmestromrichtung aber abweichend hiervon besonders labil oder besonder stabil geschichtet?

* Falls Sie WUFIs "interne Feuchtespeicherfunktion" für Ihre Mineralwolle verwendet haben: Vielleicht ist diese für diesen Zweck zu pauschal?

* Da sich das Ausgangs-Feuchteprofil gerade in der diffusionsoffenen Mineralwolle rasch ändern wird: Vielleicht wurden die Simulationen für einen Zeitpunkt ausgewertet, der nicht mit dem realen Messzeitpunkt übereinstimmt?

* WUFI setzt für alle Materialien eine temperaturunabhängige Feuchtespeicherfunktion an. Für die üblichen porösen Materialien ist das eine gute Näherung, für Luft nicht. Vielleicht führt der hohe Luftanteil in der Mineralwolle dazu, dass die Feuchtespeicherfunktion für diesen speziellen Zweck nicht wirklich hinreichend temperaturunabhängig ist?

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas

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